Im Musikzimmer wurde der Gottesmann zudringlich. Verstört flüchtete der Junge aus dem Zimmer. Alexandre brach das Studium ab und wurde Krankenpfleger. Neun Jahre lang schwieg er aus Scham. Der Skandal, der zu einer nationalen Affäre zu werden droht, überschattet den Besuch des Papstes in Rio, wo in dieser Woche Millionen Gläubige aus dem ganzen Land erwartet werden.
Viele seiner Aktivisten in Brasilien sind ehemalige Seminaristen, die gegen die "Heuchelei des Klerus" protestieren, so Fernandes. Er macht die Kirche mitverantwortlich für die Gewalt und die Verachtung, der Homosexuelle in der brasilianischen Macho-Kultur ausgesetzt sind: "Wenn die Kirche die Homosexualität akzeptieren würde, gäbe es nicht so viele Morde an Schwulen.
Wenn ein Padre das Keuschheitsgelübde mit einem Mann oder Knaben bricht, drückt der Klerus meistens beide Augen zu - der Sünder wird höchstens in eine andere Gemeinde versetzt.
Doch die hatten es auf sein Auto abgesehen und brachten ihn um, die Leiche steckten sie in einen Plastiksack. Die Umschläge waren mit Lippenstift bemalt. Der eitle und mächtige Dom Heber, ein Vertrauter des Gouverneurs von Pernambuco, hatte seinem Sexkumpan zum Dank den Posten des Schatzmeisters im Kloster zugeschanzt, wo er ungestraft in die Kasse griff.
Der ertappte Dom Heber setzte sich nach Portugal ab. Viele Geistliche sind in den vergangenen Jahren an Aids gestorben. HIV-infizierte Geistliche werden diskret in spezielle Kliniken verlegt. Viele junge Burschen aus den Armenvierteln lassen sich gern mit ihnen ein. In Brasilien dagegen schweigt der Klerus. Der ehemalige Priesterschüler Wander de Almeida erhielt eine anonyme Morddrohung. Die Affäre schwelt weiter. Boff ist nicht nur ein Opfer des Streits um seine Lehren, sondern auch des Zölibats: Er legte vor fünf Jahren sein Priesteramt nieder, weil er seine Sekretärin heiraten wollte.
